Die Diagnose ist eigentlich ganz einfach: Man hat Weisheitszähne und die sollten aufgrund von potenziellen, zahnverschiebungstechnischen Missständen irgendwie halt rausgenommen werden (Extraktion oder besser: Exodontie). Als Nächstes sollte der undefinierte Plural „Weisheitszähne“ mit einem Zahlwort verknüpft werden. Wie viele sind es denn? Vier? Nein, natürlich nicht, wozu das An-die-grosse Glocke-hängen, wenns einfach vier wären. Es sind – Achtung – deren sechs. Jawohl, klein-Akira hat in den oberen beiden Zahnquadranten jeweils noch eine Reihe mehr, die sogenannten „Neuner“ (jeder Quadrant hat 8 Zähne, also 32 insgesamt. Vier davon sind Weisheitszähne. Ich hatte 34, also zwei mehr, nun aber nur noch 28). Verspricht schmerzhaft und lange zu werden, auja!
Beziehungsweise verspreche ich mir das vorerst nicht; ganz unbeschwert gehe ich zum PD Dr. Dr. med. D. R. (how awesome: Seine Initialen bilden, als ob sie die beiden Doktor-Titel untermalen wollten, ein weiteres Mal „DR“) und lasse mich auf den Stuhl binden. Dann kommt eine Assistenz-Doktorin rein und los gehts: Mit einem „Entschuldigung“ wird die erste Lokalanästhesie reingeblasen, dann eine zweite, dritte, vierte, eine in den Gaumen und mir werden die ersten Zangen in den Mund gelegt. Spüren tut man nichts, immerhin, aber im Kopf hört es sich äusserst beängstigend an (Bohrer und Hammer auf dem Kieferknochen rumwerkeln zu hören ist doch beängstigend, nicht wahr?). Des Weiteren haben beide Operierenden enorm spiegelnde Schutzbrillen an, in denen ich mich selbst respektive mein zu einer Höhle geweiteten Mund betrachten kann respektive in ebenjenen rein. „gleich knackts“, und *krrrck*, jetzt ist der Zahn halbiert, ein Beugen und Brechen geht los, bis dann endgültig ein erstes Fragment vor meinen Augen mit einer Pinzette aus meinem Gebiss geholt wird. Klirrend landet es in einem Glas. Das Bohren geht weiter. Wenn jetzt Frau Doktor plötzlich ans Telefon muss und über des sich in meinem Mund befindlichen Bohrers Kabel stolpert, reisst sie mir wohl gleich den gesamten Kiefer raus (nice to know: „Anfangs klagte […][Louis XIV.] nur über Zahnschmerzen; die Ärzte wollten den Zahn ziehen, stellten sich jedoch so ungeschickt an, dass sie dem König ein Stück des Oberkiefers herausrissen. – Wikipedia, 6.12.12, 20:54). Kein Telefon, dafür zwei weitere Zahnfragmente, der untere Achter ist wohl schon etwa gedrittelt. Und so fort.
Zu harzen beginnt es eigentlich erst, als die Retinierten dran kommen, sprich die Neuner, welche sich noch unter der Erde bzw. der Zahnfleischdecke befinden. Als die Murkserei beginnt, verzeichnet mein inzwischen ein wenig nebliges Gefilde im Kopf alias Brain.exe einen Scherz, den ich zu äussern bedurfte. Jedoch mit einer total eingeschläferten Lippen-Zungen-Region geht vielmehr als wohlbekannte a-Laute nicht von dannen: Aua! „Sind wir am Rande der Anästhesie?“ Aaahmia „[zur Assistenz] Spritze.“ – und eine Lähmung, die sich – wäre es nicht paradox – gut anfühlt, breitet sich aus. Das Zahnfleisch wird aufgegraben und nach wenigen Bohrungen wird ein Mädchen (Anja) geboren. Etwa eine Viertelstunde später kommt an selber Stelle auf der anderen Seite ihr Zwillingsbruder Piotrek auf die Welt. Die Wehen sollten später einsetzen.
Fünf Viertelstunden später ist der Spass vorbei, die 6 Zähne, aufgeteilt in 9 Splitter, werden in ein Tütchen abgepackt und kommen nach Hause. Dass es noch Komplikationen gab, weil irgendein diffuses Gewebe in der Kieferhöhle/Nasenhöhle durch die Neunerextraktion in Mitleidenschaft gezogen wurde (Kollateralschaden?) und plötzlich Blut aus Nase und Mund kam und man nochmals in die Klinik musste, die Fäden stutzen und ein Opiat verschrieben werden musste, darauf gehen wir mal nicht näher ein.
Um den Bogen noch zu schliessen: Die oben erwähnten Wehen sind recht mühsam. Das Schmerzmittel wirkt inzwischen recht gut, aber schlafen geht nicht (nicht nur nicht auf der Seite liegen ist möglich, auch Bauchlage funktioniert nicht. Nach stundenlangem Rückenschlaf fühlt man Onkel Steissbein auch nicht mehr) essen sowieso nicht (wie auch, Mund nicht mehr als 2cm öffnen, kauen ein Ding der Unmöglichkeit. Mahlzeiten der Stunde: Joghurt, Bananen, Spinat (34x am Tag)) und trinken … jah okay, trinken ist kein Problem – vorausgesetzt ein Strohhalm steht zur Verfügung. Aber woher die Bange, schon Tausende haben hinhalten müssen, haben es geschafft und bei weitem nicht solch ein Drama veranstaltet wie meine Kleinigkeit. Auf jeden Fall: danke für die Unterstützung,
Akira, mit ganz, ganz dickem face.